Simon Mayer –
die ayurvedische Küche
Die Ernährung spielt eine wesentliche Rolle im Ayurveda. Sie gibt uns nicht nur Energie, sondern hilft zugleich, die Doshas in Balance zu halten. Dabei bedingt die ayurvedische Ernährung keine komplette Umstellung unserer europäischen Vorlieben – ihre Prinzipien lassen sich recht einfach auf die heimische Küche übertragen. Wie dies mit kleinen Veränderungen gelingt, verrät Ayurveda-Koch Simon Mayer, der seit 2016 unsere Kurgäste kulinarisch verwöhnt.
Wie bist du zur ayurvedischen Küche und vor allem zum RoSana gekommen?
Bevor ich im RoSana begonnen habe, lebte und arbeitete ich in Wien. Schon seit einigen Jahren praktizierte ich Yoga als Ausgleich zu meiner beruflichen Tätigkeit als Koch und beschäftigte mich mit dessen philosophischen Aspekten. Dadurch entstand ein starkes Interesse an der ayurvedischen Küche, obwohl ich bislang nicht genau wusste, wie sie umgesetzt wird. 2016 kehrte ich in meine Heimatstadt Rosenheim zurück und stieß dort auf das RoSana. Von Anfang an fühlte ich mich dort wohl und am für mich richtigen Platz. Ich konnte meine Erfahrungen in der vegetarischen Küche einbringen und vertiefen. Daher entschied ich mich direkt für eine Ausbildung zum Ayurveda-Koch bei Andreas Hollard, um mein Wissen um die Ayurvedischen Prinzipien des Kochens zu erweitern.
Was begeistert dich so an der ayurvedischen Küche?
Bis heute fasziniert mich, wie tiefgreifend die Ernährung mit der Gesunderhaltung von Körper und Geist verbunden ist. Es ist äußerst spannend, dass jeder einzelnen Zutat spezifische Wirkungen und Qualitäten zugeschrieben werden, weit über Aromen und Kulinarik hinaus.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, welcher zugleich den Grundbaustein unserer Arbeit darstellt, ist unser hoher Anspruch an die Lebensmittel und deren Frische. Wir verwenden in unserer Küche mit Ausnahme von Ghee und Honig lediglich pflanzliche und vorwiegend unverarbeitete Zutaten, welche wir ausschließlich in Bio-Qualität beziehen. Unser ständiger Ansporn ist es, diese Zutaten respektvoll zu verarbeiten, um daraus Gerichte zu kreieren, die sowohl wohltuend wirken als auch den Gaumen erfreuen.
Worin liegen die größten Unterschiede zwischen der ayurvedischen und der europäischen Küche?
Die Frage stellt sich eigentlich gar nicht, weil jede Küche nach der ayurvedischen Philosophie zubereitet werden kann. Sie hat ihren Ursprung zwar in Indien, das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass indische Küche automatisch ayurvedisch ist.
Es geht also eher um Ernährungsprinzipien?
Richtig. Oberstes Kriterium der ayurvedischen Küche ist, dass das Essen gut verdaulich ist, hierbei helfen uns die verwendeten Gewürze. Ebenso kommt es darauf an, was wir wann essen. Mittags ist unsere Verdauungskraft beispielsweise am stärksten, daher eignet sich diese Zeit optimal für schwerer verdauliche Zutaten wie Bohnen und Linsen. Zudem wird im Ayurveda immer frisch gekocht und es handelt sich um eine ausbalancierte, beruhigende Kost, welche uns nährt und dabei nicht zu scharf, nicht reizend und nicht zu schwer ist. Weiterhin sind in ayurvedischen Gerichten immer alle Geschmacksrichtungen, also süß, sauer, bitter, scharf, salzig und herb, vertreten. Das sind die Grundprinzipien, nach denen z.B. auch typisch deutsche Gerichte ayurvedisch zubereiten werden können.
Demzufolge ist die ayurvedische Ernährung nicht zwangsläufig vegetarisch?
Nein, ayurvedische Küche muss nicht vegetarisch sein. Im Übrigen ist eine vegetarische Ernährung auch nicht automatisch gesund – man kann sich auch ungesund vegetarisch ernähren. Allerdings wird im Ayurveda allgemein empfohlen, sich hauptsächlich pflanzlich zu ernähren. Manche Menschen bringt ein wohldosierter Fleischkonsum nicht so sehr aus der Balance, das ist sehr individuell.
Kannst du das näher erläutern?
Nach den ayurvedischen Prinzipien hat jedes Nahrungsmittel eine Wirkung und eine energetische Qualität. Fleisch ist eher schwer verdaulich, es bringt eine schwerfällige Energie mit sich und beeinträchtigt damit auch die geistige Klarheit. Das sind Effekte, die wir weitestgehend als wenig erstrebenswert einstufen. In einem gewissen Maß und situationsbedingt, kann Fleisch allerdings auch stärkend wirken. Die Bedürfnisse sind von Mensch zu Mensch verschieden, können im Laufe des Lebens variieren und sind von der individuellen Verdauung abhängig.
Wenn ich mich ayurvedisch ernähren möchte, muss ich eigentlich auf nichts verzichten …
Genau. Es kommt nur auf das Maß der Dinge an: Der Großteil der Nahrung sollte aus Gemüse in ausgewogenem Verhältnis zu Kohlenhydraten und Proteinen bestehen. Als einfache Faustregel gilt, dass die Hälfte des Tellers das Gemüse einnimmt, ein Viertel die Kohlenhydrate sowie ein Viertel die Proteine. Als Proteinquelle kommen Fleisch oder die bevorzugten Hülsenfrüchte infrage, jedoch niemals zusammen, weil diese Kombination schwer verdaulich ist.
Welche Gewürze spielen für dich eine große Rolle?
Ingwer ist ein essenzielles Gewürz, um das man in der ayurvedischen Küche kaum herumkommt. Ingwer ist appetitanregend, was im Ayurveda auch als Agni anregend bezeichnet und als bedeutungsvolle Eigenschaft beschrieben wird. Neben Kurkuma, welche unter anderem über entzündungshemmende Eigenschaft speziell in Verbindung mit schwarzem Pfeffer verfügt, mache ich mir zudem auch die verdauungsfördernde Wirkung verschiedener Kümmelsorten zunutze.
Was zählt zur Grundausstattung, wenn ich mich ab sofort zu Hause ayurvedisch ernähren möchte?
Der Kühlschrank sollte immer frisch mit Gemüse befüllt werden und in die Vorratsschränke gehören verschiedene Getreidesorten und hochwertige Kohlenhydratquellen wie z.B. verschiedene Reissorten, Hirse oder Vollkorncouscous. Wichtig sind auch Hülsenfrüchte wie Linsen oder Mungbohnen, die besonders empfehlenswert sind. Sie verfügen über eine optimale Proteinstruktur, die hervorragend für den menschlichen Organismus verwertbar ist und bestehen aus bis zu 28 % Eiweiß. Zudem sind sie gut verdaulich und wenig blähend. Ghee, also Butterschmalz, darf in der ayurvedischen Küche nicht fehlen, ihm werden hervorragende gesundheitliche Eigenschaften zugeschrieben und es verleiht den Speisen einen besonders guten Geschmack.
Welche Gewürze gehören in den Vorratsschrank?
Ich würde empfehlen, nicht zu viele Gewürze anzuschaffen, weil ihre Inhaltsstoffe nach zu langer Lagerung flüchtig sind. Zudem sollte man auf Bio-Qualität achten wie natürlich auch bei allen anderen Zutaten. Mit Zimtstangen – unbedingt Ceylon und nicht Cassia –, Kurkumapulver, schwarzem ganzem Pfeffer und ein paar Gewürzmischungen, nach eigener Vorliebe für die schnelle Küche, ist man schon gut aufgestellt. Ein gutes Currypulver, das nicht zu scharf ist, sowie Garam Masala sind nicht verkehrt. Und dann natürlich frischer Ingwer. Wer mit Blähungen aufgrund der Hülsenfrüchte Probleme hat, ist mit schwarzen Senfsamen sowie Kreuzkümmel, jeweils im Ganzen, gut bedient. Diese Gewürze wirken nicht nur entblähend, sondern sehen auch optisch in Gerichten schön aus.
Die ayurvedische Mungbohnensuppe
In der Schale der Mungbohne stecken Enzyme, die den Darm entgiften. Regelmäßig im Speiseplan integriert, ist also mit ihr eine stetige Entgiftung möglich, was zu gestärkten Abwehrkräften und einer besseren Aufnahme wichtiger Nährstoffe führt.
Hier geht's zum Rezept »Hast du ein Lieblingsrezept?
Eine Mungbohnensuppe könnte ich immer essen. Sie schmeckt nicht nur gut, sondern ist eine echte Kraftsuppe. Übrigens kommt sie auch bei unseren Gästen immer sehr gut an, dabei ist sie recht einfach zu kochen und man kann sie mit allem, was gerade an Gemüse im Kühlschrank zur Verfügung steht, variieren.
Haben Suppen generell eine gute Wirkung?
Ja, die wärmende und feuchtigkeitsspendende Natur der Suppen trägt dazu bei, uns zu erden. Angesichts der Tatsache, dass die meisten Menschen ständig in Bewegung sind, – sowohl körperlich als auch geistig – ist es besonders abends von Vorteil, wenn unsere Mahlzeiten nährende, beruhigende und aufbauende Eigenschaften besitzen. Sie helfen uns dabei, die Energie, die wir im Laufe des Tages verbraucht haben, wieder aufzubauen. Dieser Effekt könnte zwar teilweise auch mit weniger gesundem Essen erreicht werden, – zum Beispiel hat ein großes Stück Sahnetorte mit seiner Süße und Schwere ebenfalls die Wirkung uns zu erden und zu beruhigen – trotzdem würde ich generell davon abraten, sich dauerhaft und in übermäßigem Maße dieser Ausgleichsmethode zu bedienen.
Aber du gönnst dir gelegentlich schon auch ein Stück Sahnetorte?
Auf jeden Fall.