ROSANA AYURVEDA
Ayurveda besser verstehen – Ist Ama die Ursache aller Krankheiten?
Fragen an den Experten Dr. Arun Pavithran (B.A.M.S.)
Oft hört man, dass Ama die Ursache aller Krankheiten sei und deshalb aus dem Organismus eliminiert werden müsse, um wieder gesund zu werden. Stimmt das?
Im Konzept des Ayurveda spielen die „Doshas“ die zentrale Rolle, und zwar in gesunden Tagen ebenso wie in einer Krankheit. Die „Doshas“ – Vata, Pitta und Kapha – beschreiben die individuelle Konstitution des Menschen und steuern seine körperlichen und geistigen Funktionen. Ama bedeutet auf körperlicher Ebene „Abfallprodukt“ oder „Schlacke“ als pathologisches Endprodukt eines gestörten oder geschwächten „Verdauungsfeuers“ – auf Sanskrit „Agni“. Bei schlechter Verdauungsleistung kann zum Beispiel eine schwere, fettreiche Ernährung zum vermehrten Anfall von Ama führen.Das Vorhandensein von Ama modifiziert Zeitpunkt und Art des Auftretens von Krankheiten und deren Fortschreiten.
Woran erkenne ich, ob mein Ama vermehrt ist und wie wird das von Ayurveda-Ärzten diagnostiziert?
Ama macht sich in jedem Menschen anders bemerkbar, weil es die individuelle Kombination von Vata, Pitta und Kapha auf unterschiedliche Weise verändern kann. Einfluss auf die individuellen Beschwerden und Symptome haben in besonderer Weise auch unsere Konstitution (Prakuthi), der veränderliche Zustand unserer Gewebe, unsere allgemeine Lebenskraft, die Stärke des „Verdauungsfeuers“ und weitere Faktoren. Patienten spüren das Vorhandensein von Ama als ausgeprägte Müdigkeit oder als Gefühl der Schwere, als Lustlosigkeit und fehlende Motivation, als Verdauungsschwäche und Stuhlverstopfung oder ganz allgemein als Erschöpfung. Ayurveda-Ärzte „hören“ bei solchen Beschwerden bereits das Vorhandensein von Ama, können es aber auch durch spezielle Untersuchungstechniken „fühlen“ bzw. (am Puls) „tasten“ als Ausdruck einer mehr oder weniger starken Störung des Energieflusses in den Körper-inneren „Kanälen“, im Ayurveda die sog. Srothas.
Haben Menge und Art von Ama auch Einfluss auf bestimmte Krankheits-Diagnosen?
Menge und Zusammensetzung von Ama können tatsächlich zu bestimmten „Diagnosen“ bzw. typischen Beschwerdebildern führen. Eine permanente, fettreiche Ernährung über längere Zeit kann zum Beispiel das physiologische „Ama“ in pathologisches Ama umwandeln und dann zu fieberhaften oder schmerzhaft-rheumatischen Krankheiten führen.
Wie entwickeln Ayurveda-Ärzte individuelle Therapiekonzepte für ihre Patienten?
Eine gute Frage! Zunächst muss ein Ayurveda Arzt eine fundierte Ausbildung in den jahrtausendalten Grundlagen der ayurvedischen Wissenschaft erwerben und mit entsprechenden Prüfungen abschließen. Seine weitere praktische Ausbildung erhält er dann unter Anleitung sehr erfahrener Lehrer, die ihrerseits auch über zum Teil mündlich weitergegebene und individuell bewährte (manchmal geheime!) Rezepturen verfügen und Techniken in einer ganz bestimmten Kombination und Abfolge einsetzen. Nach entsprechender Konstitutions-Analyse entwickelt der Ayurveda-Arzt entsprechend seiner „ayurvedischen Sozialisation“ und Erfahrung das voraussichtlich am besten geeignete Behandlungsprogramm. Dabei kann er z.B. unter hunderten von Kräutern mit teilweise ähnlicher Wirkrichtung auswählen und diese miteinander kombinieren. Auch die Auswahl ganz bestimmter, mit Pflanzenauszügen aufbereiteter Öle macht eine Individualisierung der Behandlung möglich. Die Erfahrung zeigt, dass aufgrund der großen Zahl von Auswahl- und Kombinations-Möglichkeiten verschiedene Ayurveda-Ärzte mit teilweise unterschiedlich zusammengesetzten Therapieprogrammen zu demselben guten Behandlungsergebnis kommen können. Ebenso werden bei Patienten mit derselben „klinischen“ Diagnose aufgrund ihrer individuellen Dosha-Situation unterschiedliche Behandlungsprogramme zum Einsatz kommen.
AYURVEDA
IM ROSANA
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Es gibt also keine „Standard-Therapie“ für bestimmte Krankheiten?
Nein! Es steht immer die individuelle Konstitution mit ihrer krankheitsbedingten Abweichung von einem stabilen Verhältnis der Doshas im Mittelpunkt der Überlegungen. Der erfahrene Ayurveda-Arzt kann aber selbstverständlich seine positiven Erfahrungen mit ähnlichen Patienten auch auf andere Kranke übertragen.
Kommentar zum Interview
Die wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften erstellen im Bereich der „westlichen“ Medizin Leitlinien für Diagnostik und Therapie und wollen damit Ärzten Entscheidungshilfen bei speziellen Krankheiten an die Hand geben. Entscheidungsprozesse können beschleunigt werden, Ärzte dürfen sich in der Anwendung der Leitlinien „sicher“ fühlen und ganz nebenbei soll auch einer Ökonomisierung des Gesundheitswesens zum Durchbruch verholfen werden. Mit Blick in die Zukunft und durch Anwendung künstlicher Intelligenz steht zu befürchten, dass immer größere Bereiche der Medizin einer weiteren Technisierung unterworfen werden und eines Tages Algorithmen selbstständig Therapieentscheidungen fällen.
Das muss nicht unbedingt alles schlecht sein. Wenn dieser Prozess jedoch mit einem fortschreitenden Wegfall menschlicher Kompetenzen, individueller Erfahrung und begleitender Empathie einhergeht, stehen kranke Menschen in absehbarer Zukunft ziemlich einsam in der Medizinlandschaft.
Die Fortschritte der modernen Medizin sind teilweise enorm, die Halbwertszeit ihrer Gültigkeit kann aber von Fall zu Fall auch sehr kurz sein. Westliche Medizin wird andererseits auch immer öfter mit den Schattenseiten ihrer Erfolge konfrontiert. So zeigt aktuell eine neue Studie aus den USA, dass bis zu 60 % aller Patienten, die mit 3 oder mehr allopathischen Medikamenten behandelt werden, als Nebenwirkung Depressionen (bis hin zu Suizidalität!) entwickeln können.
Demgegenüber basiert Ayurveda auf dem stabilen Grundlagenwissen aus mehreren tausend Jahren (Homöopathie kann immerhin auf eine über 200- jährige Geschichte zurückblicken). Man kann natürlich argumentieren, dass ein derart altes Wissen offensichtlich keine Weiterentwicklung erfahren habe und damit „veraltet“ sei. Diese Sicht der Dinge korrespondiert mit der allgegenwärtigen Auffassung, dass ständiges (vor allem wirtschaftliches) „Wachstum“ ohne Alternative sei. Die Folgen des Wachstums werden freilich weltweit in bedrohlicher Weise immer deutlicher. Wie die Studie aus den USA zeigt, hat aber auch die „moderne“ und forschungsintensive pharmazeutische Wissenschaft ihre unerwünschten und zum Teil katastrophenträchtigen Nebenwirkungen!
Ist es also nicht im besten Sinne wert-konservativ, gerade auf die alten und uralten Wissens- und Erfahrungsschätze zurück zu greifen? Also zunächst Homöopathie oder Ayurveda, westliche Naturheilverfahren oder Osteopathie einzusetzen und damit mancher Wurzel einer Krankheit viel näher zu kommen, anstatt sofort und in jedem Fall, mitunter massiv nebenwirkungsträchtig, hauptsächlich an den Symptomen einer Krankheit zu basteln?
Und weil Krankheiten neben ihren objektiven und absoluten Befunden immer auch Aspekte des subjektiven Erlebens und einer individuellen Entwicklungsgeschichte haben, sollte eine individualisierte Behandlung eigentlich selbstverständlich sein! Ayurveda ist in besonderer Weise eine solche „individualisierte“ Therapie, die überdies den Wurzel manchen Krank-werdens viel näher kommt als die moderne akademische Medizin.
Da Patienten aber ohne Zweifel ein Recht auf größtmögliche Therapiesicherheit haben, sollte individuelle Therapie immer auch von den Möglichkeiten moderner Diagnostik flankiert sein! Und Ärzte der verschiedenen Behandlungstraditionen sollten miteinander kommunizieren, kooperieren und – neidlos – voneinander zu lernen bereit sein! Immerhin sind Ärzte nicht primär ihrem Ego, den Leitlinien oder der pharmazeutischen Industrie, sondern in allererster Linie den ihnen anvertrauten Patientinnen und Patienten verpflichtet!